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ESPENBLATT | liebe die welt

Ein Tag in Turku

Nach der intensiven Auseinandersetzung mit Wurzeln der finnischen kulturellen Identität in dem Kunstmuseum Ateneum in Helsinki, der Architekten Siedlung Hvitträsk so wie dem Atelier-Haus von Akseli Gallen-Kallela Tarvaspää (siehe Espenblatt „Finnlands kulturelle Wurzel“) träumten wir von dem Inselarchipel der finnischen Schären. Als einen logischen Zwischenstopp dorthin hat sich Turku angeboten, die frühere Hauptstadt Finnlands.

Bis auf ein paar weniger Ausnahmen bitten den finnischen Städten keine besonderen Anreize, so liest es man in einigen Reiseführen, unsere Erwartungen waren daher nicht besonders groß. Am späten Abend führte uns die Straße ins Zentrum von Turku zwangsläufig zu dem Hauptplatz der Stadt, wo auf einem kleinen Hügel am Ufer des Flusses Aurajoki, seit seiner Weihe zum Dom im Jahr 1300, die einzige mittelalterliche Kathedrale Finnlands thront: Der Dom vom Turku (Turun tuomiokirkko/A°bo domkyrka), groß, aus Backstein gebaut, spät romanisch, geschlossen. In der Innenstadt ein Fest, internationale Küche, in der einzigen finnischen Bäckerei kaufen wird zwei Stück Rahkapulla (Quarkkuchen) Stückpreis 5 €, sonst wurden fast alle Preise fein säuberlich gestaffelt: 5/10/15 €. Ein kleiner Imbiss samt Getränk für zwei Personen wäre ca. 50 € kosten, schwer vorstellbar, wenn man aus Deutschland kommt.

Wir finden einen schönen Stellplatz am Fluss, gegenüber des maritimen Museum und planen den nächsten Tag.

Und der hatte es in sich! Drei scheinbar kurze Aktivitäten standen auf dem Plan: Das Handwerk-Viertel Luostarinmäki (Klosterbacken), der Dom und das Siberius Museum, entwickelten sich zu einem einschlägigen Erlebnis. Aus einer kurzen Beschreibung in einem Reiseführer hatten wir in Klosterbacken (den schwedischen Namen kann man sich viel einfacher merken) eine Art Skansen erwartet, dachten uns, ok wir haben bereits einige gesehen, vielleicht finden wir etwas Lokales. Bereits in dem ersten Haus spürten wir den Unterschied: Die Fülle an Exponaten, die Art der Präsentation, die Verknüpfung der Räumlichkeiten mit den Geschichten von authentischen Personen und deren Verankerung in der Geschichte des Ortes (präsentiert in jeweils zwei Tafeln zum Herausnehmen und lesen) ziehen uns sofort in seine Bahn. Das Museum besteht aus mehreren kleinen Höfen, bei deren Betreten die Besichtigung von einigen Häusern möglich ist. In einem der Höfe steht man plötzlich in einem Zimmer von Anna, einer Bardame, die in der benachbarten Taverne arbeitete und sich ab und zu bei der Polizei melden musste, weil sie verdächtig war, Syphilis zu tragen. Ihr Zimmer, das Wirtshaus, in dem sie zwei Jahre arbeitete, realistisch gezeigt. Anna starb im Alter von 38 Jahren in dem Provinzkrankenhaus, bevor sie die letzten Monate ihres Lebens in einem Armenhaus verbrachte. Selbstverständlich gibt es auch heitere Storys wie zum Beispiel die über Arvo Avenius einen Puppenmacher und Zirkusdarsteller oder Axel Mannström, Lyceum Student, der wie sein Vater das Turku Lyceum besuchte und in dem kleinen Zimmer wohnte. In einem Brief an die Familie klagt er über die lauten Nachbarn… . Ganze Werkstätten und kleine Läden mehrerer ehrenhafter Handwerkmeister: Zimmermann, Uhrenmacher, Buchbinder, Baumeister, Bäcker, Schuster, sogar eine Hutmacherin und Hebamme dürfen nicht fehlen,

Das Museum ist so gut gemacht und einzigartig in der stärker der Narration, dass es im Jahr 2023 zu den Finalisten des European Museum of the Year Award (EMYA) aufstieg.

Eine Besonderheit der skandinavischen Museen ist, dass verkleidete Museumsangestellte das Publikum begrüßen, führen und ggfls. handwerkliche Tätigkeiten ausüben, diese Animationen heben das Erlebte auf einen höheren Level. An eben solchen Museen (z. B. Wikingermuseum in Borg auf den Lofoten) haben wir gedacht vor dem Besuch des Karendorfes in Thailand, wo sehr schön gekleidete Einwohner ebenfalls den Besuchern das eigene Handwerk vorführen, wir wurden sehr nachdenklich.

In dem Dom, der als das Nationalheiligtum Finnlands gilt, durften wir einer Kirchenfeier beiwohnen, dabei mit viele nette Menschen Kaffee und Kuchen genossen.

Das Sibelius Museum liegt gleich neben dem Dom. Bereits beim Betreten des Doms, der erster Gänsehaut Moment, das Zentrum des Museums bildet ein kleiner Konzertsaal, mit einem Flügel, Stuhlreihen, hingesetzt, kann man der leisen vorgeführten Musik von Sibelius lauschen, oder, bei etwas mehr Glück ein live Konzert erleben. Die Entstehung und Bedeutung des berühmtesten Werks von Jean Siberius „Finlandia“ rundete unsre kulturelle Reise in die Seele des Landes ab. „Finlandia“ entstand zu einer Zeit, in der Finnland dem Russischen Reich angehörte und wurde zuerst als geheime Nationalhymne gefeiert. Nach einer Überarbeitung fand deren Europapremiere im Jahr 1900 während der Weltausstellung in Paris statt (der finnische Pavillon wurde von dem Architekten Trio aus Hviträsk entworfen) , das Ereignis rückte die damals bereits diskutierte „finnische Frage“ ins Rampen-Licht, vielleicht verhalf es auch dazu, dass finnisch im Jahr 1902 (neben dem schwedisch) zu zweiter Amtssprache anerkannt wurde. In den Räumlichkeiten des Museums kann man die Atmosphäre der damaligen Zeit spüren.

Endlich dürfen wir los, in die finnische Schären, das haben wir bereits bei unseren ersten Besuch in Finnland gewollt. Wir planen die sogenannte „Große Ringstraße“ zu fahren, 220 km, Brücken, kostenlose Fähren, Wasser, Strände, Natur – ein Traum. Die ersten 20-25 km fahren wir durch eine wunderschöne Landschaft. Das Wasser zeigt sich selten, nun aber unsere erste Fähre und endlich ein Traumort Nagu in dem wir den lang ersehnten Strand mit angrenzendem Kieferwald, roten Häusern, Boten und Stegen gefunden haben. Unser erster traumhafter Sonnenuntergang in dem Archipel (Siehe Espenblatt „Finnische Schären“

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